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news: rmund.jpgWas macht eigentlich Trainer Rainer Mund?

Der Dresdner Rainer Mund galt vor zwei Jahrzehnten als erfolgreichster Trainer der Welt im Eisschnelllauf. Seine Läuferinnen gewannen Gold in Serie. Karin Enke war elffache Weltmeisterin im Sprint und Mehrkampf, Andrea Ehrig holte zwei Welt- und fünf Europameistertitel. Beide erkämpften 15 Olympiamedaillen, davon vier goldene. In den 70er- und 80er-Jahren gab es noch keine Einzelstrecken-WM wie heute. Sonst wäre die Bilanz noch grandioser ausgefallen.
news: rmund.jpgWas macht eigentlich Trainer Rainer Mund, der mit seinen Dresdner Frauen die Eisschnelllauf-Welt aufmischte und vor der Wende Titel in Serie holte.

Der Dresdner Rainer Mund galt vor zwei Jahrzehnten als erfolgreichster Trainer der Welt im Eisschnelllauf. Seine Läuferinnen gewannen Gold in Serie. Karin Enke war elffache Weltmeisterin im Sprint und Mehrkampf, Andrea Ehrig holte zwei Welt- und fünf Europameistertitel. Beide erkämpften 15 Olympiamedaillen, davon vier goldene. In den 70er- und 80er-Jahren gab es noch keine Einzelstrecken-WM wie heute. Sonst wäre die Bilanz noch grandioser ausgefallen.

Trotz der Erfolge gab es für Rainer Mund zur Wende den Karriereknick.

„Ich hatte gehofft, dass unser Wissen, unsere Erfahrungen gefragt sind. Zusammen mit den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten glaubte ich an große sportliche Erfolge im geeinten Land. Das erwies sich schnell als Illusion. Für mich gab es keinen Platz im vereinten deutschen Verband.“

Im Dresdner Verein ging es aber auch nicht weiter. Fünf Monate arbeitete Rainer Mund in Innsbruck.

„Ich lernte viel im neuen System. Zum Beispiel, dass es verschiedene Wege gibt, um erfolgreich zu sein. Andererseits erlebte ich nun andere Mentalitäten. Wir waren gewöhnt, immer nach Höchstmöglichem zu streben. Zeitweise trainierten die vier weltbesten Mehrkämpferinnen in Dresden. Das schuf besondere Konkurrenzbedingungen. Niemand konnte und wollte sich im Training einen Hänger leisten. Plötzlich gab es nach der Wende aber keine Athletinnen mehr von diesem Format. Ein langfristiger Aufbau war nicht gefragt. Das fühlte sich bitter an.“

Der Trainer hatte Glück. Beim Olympiastützpunkt Chemnitz/Dresden bekam er eine Stelle als Koor-dinator. Bis Ende des Monats läuft sein Vertrag. Dann wartet die Rente. Morgen wird Rainer Mund 65 Jahre alt. Medaillen hat der Trainer nie gezählt. Und doch wird es ein Tag für Rückblicke.

„Wir hatten damals noch keine Klappschlittschuhe. Es gab gute Rennanzüge – aber nicht solche superent-wickelten Sachen wie heute. Bei uns stimmte dafür die Methodik. Viermal im Jahr ging es in die Höhe. Wir versuchten, uns auf den Punkt vorzubereiten. Das Gute war, dass im Sog der Eliteläuferinnen neue Talente an die Spitze geführt wurden. Uns brachte auch der Austausch von Erfahrungen zwischen Winter- und Sommersport weiter.“

Rainer Mund fühlt sich nicht als Nostalgiker. Er schwärmt über die heutigen Sportbedingungen.

„Alleine in Sachsen ist in den vergangenen Jahren viel für den Sport entstanden – moderne Hallen, neue Trainingsanlagen, ganze Sportkomplexe. Dazu bieten Bundesgrenzschutz, Bundeswehr oder Bundespoli-zei beste Förder- und damit ausgezeichnete Sportbedingungen für viele Elitesportler. An den materiellen Bedingungen liegt es nicht, wenn der deutsche Leistungssport seine gewaltigen Reserven immer noch nicht restlos erschlossen hat. Nicht wenige Erfolge basieren strategisch auf dem Prinzip Zufall oder Hoffnung. In wichtigen olympischen Sportarten erfolgt leider kein langfristiger Leistungsaufbau.“

Die fehlende Methodik und manche Ungereimtheiten im deutschen Sport schmerzen den Strategen Mund.

„Dresden war eine Eisschnelllauf-Bastion, weil die Besten hier trainierten. Mit Christa und Ernst Luding gab es sogar noch eine zweite Weltklasse-Gruppe im Klub. Konzentration der Besten ist schon kein Erfolgsgeheimnis mehr, so selbstverständlich sind die positiven Effekte. Im Eisschnelllauf ist es aber heute enorm schwer, die Besten aus Berlin und Bayern zusammenzuführen. Da gibt es unterschiedliche Trainingsauf-fassungen und Eitelkeiten. Wie soll da ein Sog für eine neue Generation an Spitzenathleten entstehen? Erfolg muss immer wieder neu organisiert werden, und zwar straff.“

Kopfzerbrechen bereiten dem Trainer die großen Leistungsunterschiede zwischen deutschen Sportverbänden.

„Es kann doch nicht sein, dass die deutschen Triathleten nur wenig langsamer sind als die Spezialisten, die Langstreckenläufer der Leichtathleten. Da läuft doch was falsch. Es gibt also gute Erfahrungen. Aber es scheint nur sehr schwer möglich zu sein, die zwischen den einzelnen Sportarten zu vermitteln. Da fehlt es mitunter an den nötigen Strukturen in den Verbänden. Ich weiß, dass der Begriff Zentralismus nicht gern gehört wird. Aber einer muss doch das Sagen haben und die Richtung vorgeben.“

Rainer Mund blickt trotz seines bevorstehenden Ruhestandes bereits Richtung London 2012 zu den Olympischen Sommerspielen.

„Wer Erfolg haben will, der muss das Gesamtpaket sehen. Das Ziel ist entscheidend. Und da fängt es ja schon oft an. Ich weiß nicht, ob mit ehrenamtlichen Verbands-Präsidien professioneller Sport zu machen ist, obwohl die Arbeit dieser Gremien nicht hoch genug geachtet werden kann. Erfolge verlangen aber optimale Gesamtstrukturen. Dann lassen sich auch rechtzeitig die Weichen in die richtige Richtung stellen. Genau da muss der Deutsche Olympische Sportbund als Dachorganisation seiner Verantwortung besser gerecht werden.“

Bitter stößt Rainer Mund auf, wenn Trainern das Potenzial fehlt.

„Es gibt gute Trainer in Deutschland. Aber nicht immer genügt das Niveau für Spitzenleistungen. Da reicht es manchen schon, mit möglichst wenig Aufwand viel zu erreichen. Richtige Grundlagen für die Zukunft werden anders gelegt.“

Der aktuelle Fall Claudia Pechstein macht Rainer Mund ratlos. Hat die Berlinerin nun gedopt oder nicht?

„Ich kann es nicht einschätzen, bin nur ein Außenstehender. Bei der Vielzahl von Informationen schaffe ich nicht, mir eine Meinung zu bilden. Es ist eine Tragik, welchen Abgang die erfolgreichste deutsche Win-ter-Olympionikin gerade erlebt. Sie ruiniert auf allen Ebenen ihre Karriere, ihr Leben. Leider habe ich zu viele Sportler mit Tränen in den Augen gesehen, die ihre Unschuld beteuert haben und dann doch zugeben mussten, dass sie gelogen haben. Ich weiß nicht, was dahinter steckt, welche Rolle die Verbände spielen. Ich würde gern daran glauben, dass eine Athletin, die 20 Jahre nicht positiv geteste wurde, auch jetzt unschuldig ist.“

(Quelle: Sächsische Zeitung, 02.12.2009; Jochen Meyer, Foto: Thomas Lehmann)